Eine Stadtbahn verbindet demnach die Vorteile von U-Bahn und Straßenbahn: Sie ist in der Innenstadt genauso schnell wie eine U-Bahn, ohne den knappen Straßenraum der City zu beanspruchen. In den Außenbezirken ist sie immer noch fast so schnell, aber wesentlich billiger als die U-Bahn (nur etwa 1/10 der Bau- und Unterhaltskosten). Außerdem ist sie dort für die Fahrgäste leichter zu erreichen als in den tiefliegenden City-Tunneln. (Siehe HFI 13 - 1/86: "Stadtbahn für Hamburg"!)
Andere Großstädte haben sich Stadtbahnsysteme geschaffen, indem sie ihre überkommene Straßenbahn abschnittweise in Tunnel verlegt haben, z.B. Hannover, Frankfurt, Stuttgart.
In Hamburg ist alles anders, weil eine U-Bahn seit 1912 existiert und 1978 die letzte Straßenbahn stillgelegt wurde. (Siehe auch HFI 21 - 3/88: "Langsamer Tod einer rüstigen alten Dame - Ein Nachruf auf die Hamburger Straßenbahn")
Hier bestand ursprünglich die Absicht, alle Straßenbahnlinien sukzessive durch U-Bahnen zu ersetzen. Doch dieses Vorhaben erwies sich inzwischen als Utopie, weil U-Bahnbau viel zu teuer ist, als daß er sich in allen Außenbezirken lohnen würde.
Hamburger Vororte, die dennoch in den Genuß von U-Bahnlinien kamen, haben inzwischen neben den Vorteilen auch die Nachteile dieses Systems kennengelernt:
Die U-Bahnhöfe liegen weit auseinander und sind daher meist nur durch längere Fußwege zu erreichen, noch dazu über lange Treppen, die von behinderten und beladenen Fahrgästen lieber gemieden werden. So geht der Vorteil einer schnellen Fahrt in die Innenstadt durch mühsame Anmarschwege wieder verloren.
Daher wünscht sich die Bevölkerung heutzutage nicht so sehr neue U-Bahnlinien, sondern die Wiederkehr der altbekannten Straßenbahn in ihrem Wohnbezirk, ohne deren Nachteile zu bedenken, z.B. die langsame Fahrt durch enge Innenstadtstraßen.
Die Finanzierung der Stadtbahn steht und fällt mit der Gewährung von Zuschüssen aus dem Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetz (GVFG).
Um diese Bedingungen zu erfüllen, muß der Kosten/Nutzen-Faktor größer als 1 sein, d.h. der Nutzen muß größer sein als die Kosten.
Nach dem GVFG sind außerdem in Ballungsräumen nur solche Bahnlinien förderungswürdig, die nicht parallel zu vorhandenen Schienenstrecken verlaufen. Aber sind in der Hamburger City (im Bereich des Wallrings) noch Straßenbahnlinien denkbar, die nicht irgendwo mit bestehenden Schnellbahnlinien konkurrieren? Um dies zu vermeiden, werden nach Vorschlag der FAHRGAST-INITIATIVE HAMBURG (FIH) innerhalb des U-Bahnringes keine neuen Strecken gebaut, sondern die vorhandenen U-Bahntrassen für die Stadtbahn mitbenutzt.
Unter diesen Voraussetzungen werden aus Mitteln des Mineralölsteuer-Aufkommens 60% der Investitionskosten erstattet, d.h. Hamburg müßte immer noch 40% der Baukosten sowie die Fahrzeugbeschaffung selbst finanzieren. Hinzu kämen die Betriebskosten. An dieser restlichen Belastung kann das ganze Vorhaben leicht scheitern.
Da das von der FIH vorgeschlagene Stadtbahn-System mit dualer Einspeisung (wechselweise aus der Stromschiene oder Oberleitung) in Deutschland neu wäre (Vorbilder gibt es nur im Ausland), müßte es möglich sein, daß das Bundes-Forschungs-Ministerium (BMFT) die restlichen Kosten übernimmt, wenn die Baumaßnahme als Demonstrations-Vorhaben deklariert wird. Damit rückt das vorgeschlagene Stadtbahn-Konzept im Gegensatz zur konventionellen Straßenbahn in eine realisierbare Nähe!
Die Gutachter betonen in ihrer Voruntersuchung (siehe HFI 33 - 3/91), daß eine Wirtschaftlichkeit erst nach Fertigstellung von vier Linien im "Stadtbahn-Grundnetz 1" erreicht wird. Im Gegensatz dazu bietet der FIH-Vorschlag den großen Vorteil, daß die sechs neuen Linienäste auch einzeln und nacheinander gebaut werden können, je nach Dringlichkeit und Machbarkeit (zeitraubende Einsprüche!). Denn für das Stadtbahnsystem wird keine neue Infrastruktur benötigt. Vielmehr können die Stadtbahn-Fahrzeuge in der U-Bahnwerkstadt Barmbek gewartet werden.
Die Fahrzeuge der Stadtbahn:
Während die drei Meter breiten U-Bahnwagen anderer Großstädte (z.B. München, Nürnberg) nicht auf der Straße fahren dürfen, hat Hamburgs U-Bahn den großen Vorteil, daß deren Fahrzeuge nur ca. 2,50 Meter breit sind, so daß sie grundsätzlich auch auf der Straße fahren könnten. Denn da sind nach BO-Strab Fahrzeuge von maximal 2,65 Meter Breite zugelassen. Mit modifizierten U-Bahnwagen kann Hamburgs U-Bahnnetz zu einem Stadtbahnsystem erweitert werden, ohne längere Tunnel neu zu bauen.
Natürlich müßte an den U-Bahnzügen, wie sie heute fahren, einiges anders werden: Neben straßenmäßiger Beleuchtung (z.B. Bremslichter!) müßten sie Dach-Stromabnehmer bekommen, die außerhalb der Tunnel in Funktion gehen, während die gefährlichen Seiten-Stromabnehmer eingeklappt werden, denn auf der Straße kann man ja nicht an Stromschienen fahren. Das alles ist technisch keine Hürde.
Problematisch wird es jedoch mit der Einstiegshöhe, die an der Straße viel zu hoch wäre. Andere Verkehrsbetriebe lösen das mit Niederflurwagen oder Klapptrittstufen, die nur an solchen Haltestellen ausgefahren werden, wo sie benötigt werden. Laut vorliegendem "Stadtbahn-Gutachten" ginge das in Verbindung mit der Stromschiene nicht. Wenn ebenerdige Zuänge verlangt werden, müßten auch im Straßenniveau Hochbahnsteige gebaut werden, die dann über einige Stufen oder/und leicht geneigte Rampen zu erreichen sind. Auch dafür gibt es Beispiele in anderen Städten, z.B. Stuttgart, Amsterdam.
Die maximale Länge der Stadtbahnzüge ergibt sich wieder nach der BO-Strab zu 75 Meter. Andererseits können an den meisten Bahnsteigen des U-Bahnringes keine längeren als 6-Wagenzüge (85 Meter) halten. Nach dem Stadtbahn-Konzept der FIH sollen auf dem U-Bahnring künftig nur Stadtbahnzüge fahren. Deren verfügbare Zuglänge von 75 Metern wird zweckmäßig in zwei Einheiten unterteilt, so daß 3-Wagenzüge zu je 37,5 Meter Länge entstehen. Sie wären damit 2 Meter kürzer als der 3teilige Gliedertriebzug DT-3 der HHA (39,5 m), der entsprechend dem Stadtbahn-Anforderungen ohnehin zu modifizieren wäre, z.B. mit offenen Durchgängen.
(Werner Rönsch, 25474 Bönningstedt)