Was Zürich bewegt

Unter diesem Motto bietet die Interessen-Gemeinschaft Eisenbahn (IGE) eine vom Tram-Museum Zürich organisierte viertägige Studienreise in die größte Stadt der Schweiz (ca. 360.000 Einwohner) an, welche heuer sogar dreimal stattfindet. Ich war gleich beim ersten Termin dabei.

Am Donnerstag, 18. Juni 1998 fuhr ich bereits um 7:38 Uhr ab Hamburg-Altona mit dem EC "Lötschberg" über Köln zunächst bis Basel, denn ich wollte über die landschaftlich reizvolle Rheinstrecke fahren. Nach siebenstündiger Fahrt kam er mit geringer Verspätung in Basel an, wo ich um 16:51 Uhr noch den D-Zug nach Zürich erreichte, Ankunft genau 18:00 Uhr.

Zu dieser Stunde begann bereits eine Begrüßungsrunde im Konferenzraum "Limmat", den es im Hauptbahnhof erst mal zu finden galt. Sodann mußte ich noch mit dem Gepäck ins nahe gelegene Hotel "Montana", um mein Zimmer zu beziehen, bevor um 20:00 Uhr ab Bellevue eine erste Stadtrundfahrt mit dem "Chuchichäschtli" begann. Das ist ein "Tram" mit Küche, wo uns auf engstem Raum ein dreigängiges Menü mit finnischen Rentierstreifen serviert wurde. Dazu benötigte die Bahn drei Runden um die Züricher Innenstadt. Man konnte auch noch länger mitfahren. In einem offenen Beiwagen wurden nur Getränke ausgeschenkt. Mit diesem "Vorgeschmack" auf die kommenden Ereignisse endete der erste Tag.

Am Freitag, 19. Juni begann um 8:00 Uhr eine Extrafahrt mit einem "Grachtenboot", das niedrig genug gebaut ist, um auf dem Fluß Limmat die Brückendurchfahrten zu passieren. Diese Schiffsfahrt wurde bereits mit einer ersten Erklärung der Sehenswürdigkeiten Zürichs durch unsere ortskundigen Stadtführer ergänzt. Bei der Weiterfahrt auf dem Zürichsee (406 m) sahen wir u.a. einige tonnenförmige Gebilde, die als Wasserfontänen gerade zur Erprobung noch im Ufernähe lagen.

Nach kurzer Fahrt über das untere Seebecken kamen wir an der Schiffswerft an, wo die ganze Flotte der ZSG gewartet wird. Dort erfolgte eine Führung über die Helge und durch die Werkstätten durch dem Kapitän des 1909 erbauten Raddampfers, mit dem wir anschließend die Einsatzfahrt bis zur Anlegestelle mitmachen konnten. Dabei hatten die 22 Teilnehmer Gelegenheit, das große Schiff von der Brücke bis zum Machinenraum allein zu inspizieren, soweit die Viertelstunde Fahrtzeit dazu ausreichte.

Am "Bürkliplatz" beginnen die öffentlichen Rundfahrten über den Zürichsee. Dort stiegen wir um auf ein kleines Polizeiboot, worin die 22 Fahrtteilnehmer zusammen mit den beiden Reiseführern gerade Platz fanden. Die erste Teilstrecke in Ufernähe muß noch mit einem gemäßigten Tempo zurückgelegt werden, doch nach Passieren einer imaginären Linie demonstrierte uns der Schiffsführer, mit welch enormer Geschwindigkeit und gewaltigem Wasserschwall dieses Polizeiboot fahren kann, um etwaige Gesetzesübertreter zu verfolgen. So ist es beispielsweise verboten, den Zürichsee mit Amphibienfahrzeugen zu befahren, um die gute Wasserqualität zu erhalten. Doch sein Dienst besteht nicht nur aus Kontrollfahrten bei schönem Wetter, sondern auch aus lebensrettenden Einsätzen, wie ein eindrucksvoller Film zeigte, der uns anschließend in der Station der Seepolizei vorgeführt wurde, wo sich auch ein "Taucher-Museum" befindet.

Sodann fuhren wir mit einer planmäßigen Straßenbahn der Linie 4 ab deren Endstation am Bahnhof Tiefenbrunnen bis "Rudolf-Brun-Brücke", wo wir in der nahegelegenenen Fachabteilung der Stadtpolizei (Mühlegasse 18) die Programmierung und Überwachung der Verkehrssteuerung SESAM kennen lernen konnten. Anhand der Bahnhofstraße wurde beispielhaft gezeigt, wie die Ampelschaltungen erfolgen. Die Steuerung jeder Verkehrsampel richtet sich nach der Abfahrt eines Trams an der vorigen Haltestelle, und wenn die Bahn an der nächsten Kreuzung planmäßig eintrifft, soll sie dort grün vorfinden. Doch schon bei leichten Verzögerungen erhält der Querverkehr Vorrang. Die Zürcher Bahnhofstraße ist eine große Fußgängerzone mit vier Tram-Linien, die alle sechs Minuten verkehren. Eine attraktive Straßenbahn ist wichtig, um die Stadt funktionsfähig und lebenswert zu erhalten, nachdem ein U-Bahnbau in einem Referendum abgelehnt wurde.

In einem zweiten Raum werden mit einem Minimum an Personaleinsatz alle Verkehrsampeln im Stadtgebiet nur auf ihre Funktionsfähigkeit überwacht, was nachts sogar ohne Personal erfolgt. Die Ampelsteuerung wird aufgrund aktueller Verkehrszählungen mit Detektoren automatisch an das Verkehrsaufkommen angepaßt. Das geht so weit, daß in der Rush-hour der stadteinwärts fahrende Verkehr schon an den Stadtgrenzen soweit zurückgehalten wird, daß er auch in der Innenstadt ohne größere Staus abfließen kann. Bei Störungen schalten die Verkehrsampeln auf Blinklicht, und der Verkehr muß dann an Ort und Stelle von der Polizei geregelt werden.

Gegen Mittag erfolgte die Weiterfahrt mit einem modernen "Tram 2000" als Extrafahrt zum neuen Bahndienstzentrum der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) in Zürich-Altstetten. Hier gab es zunächst in der Kantine ein preiswertes Mittagessen zum Aussuchen. Sodann konnte die Gleisbauwerkstätte, die Funkleitstelle und die Zentralwerkstätte der VBZ besichtigt werden.

Dieser Abend stand zur freien Verfügung. Ich fuhr noch mit der "Forchbahn", die nicht auf dem Programm stand. In einer knappen Stunde fährt man mit dieser steigungsreichen Überland-Straßenbahn (S 18) ab Stadelhofen auf Meterspur über den "Forchpaß" 17 km bis Esslingen.

Die ganze Innenstadt Zürichs lockte zu dieser Zeit mit angeblich 800 lebensgroßen Modell-Kühen zum Fotografieren. Teils stehend, teils grasend, teils liegend, mit phantasievollen Bemalungen (nur nicht in den natürlichen Farben) sollten sie für die einzelnen Geschäfte werben.

Am Samstag, 20. Juni begann an der nahegelegenen Haltestelle Sihlquai eine ausgiebige Stadtrundfahrt mit dem historischen Wagen Ce 2/2 102 (von 1900) des Trammuseums. Die nur 176 Meter lange Standseilbahn ("Polybahn") war leider an jenem Morgen außer Betrieb.

Die Züricher Straßenbahn fährt auf Meterspur und weist erstaunlich viele Strecken und Querverbindungen auf. Am Bahnhof Enge drehten wir eine Ehrenrunde, um eine Planfahrt vorbei zu lassen. Nachdem wir zweimal an der Ausgangs-Haltestelle vorbeigefahren waren, kamen wir nach etwa einer Stunde an dem kleinen Trammuseum in Wartau an, wo es eine Führung gab und wo die verschiedensten Souvenirs angeboten wurden.

Nach geraumer Zeit erfolgte die Weiterfahrt wieder mit dem Museumstram bis zum Römerhof, der Talstation der Dolderbahn. Mit dieser Zahnradbahn fuhren wir bis zur Bergstation, die mitten im Wald liegt. Dort bestand die Möglichkeit, das Fahrzeug auch aus ungewöhnlicher Perspektive von unten zu besichtigen und zu fotografieren, wobei auch hier ein Fachmann für Erklärungen sorgte. Diese Bergbahn ist ursprünglich als Standseilbahn gefahren. Mit dem Umbau auf Zahnstange wurde die Strecke verlängert, um Kunsteisbahn und Wellenbad Dolder noch besser zu erschließen.

Nach der Rückfahrt zur Talstation gelangten wir mit einem Planzug der Linie 3 zum Hauptbahnhof. Von dort erfolgte eine kurze Extrafahrt mit einem Sonder-Triebwagen (RBe 4/4) zum Lokdepot Zürich. Auch dort gab es zunächst ein preiswertes Mittagessen in der Kantine.

Bei der anschließenden Führung in vier kleinen Gruppen sahen wir u.a. den betriebsfähigen Dampftriebwagen C2m 1/2 (von 1902), sowie eine Dampflok B 3/4 mit historischen Wagen.

Man zeigte uns den Führerstand einer modernen E-Lok. Schließlich befanden wir uns auf dem Führerstand einer E-Lok Re 4/4 II. Man demonstrierte, wie die Lok eingeschaltet wird, wie man nach der Bremsprobe losfahren und wieder bremsen kann, wobei es darauf ankam, möglichst ruckfrei vor dem Signal anzuhalten. In regelmäßigen Abständen erinnerte ein Pfeifton an die "Totmannstaste", welche mit einer Fußwippe betätigt wurde. Am zweiten Führerstand steuerte ein zweiter Lokführer die Lok wieder zurück, wobei sich die Lokführer telefonisch verständigten. Gelegentlich wurde auch über einen Wechselsprecher, wovor man genau halten mußte, mit dem Stellwerk gesprochen. Auf einer zweiten Lok fuhren zwei weitere Gruppen mit, d.h. es waren nicht weniger als vier gestandene Lokführer für uns im Einsatz!

Anschließend daran marschierten wir ins Verwaltungsgebäude zu einem Vortrag des stellvertretenden Direktors Traktion und Zugdienste der SBB, Dr. Röttinger, der über die "Bahnsinnige Zukunft der SBB" sprach. Dann konnte die rechnerunterstützte Betriebsleitzentrale der SBB inklusive Lokleitung und Lokführer-Personaldisposition besichtigt werden.

Sodann bestand die Möglichkeit, die Anlagen der SZU (Sihltal - Zürich - Uetliberg) zu besichtigen, bevor wir um 19:07 Uhr mit der Uetlibergbahn zum Züricher Hausberg hinauffuhren. Mit 70 Promille Steigung soll dies die steilste Bergbahn mit Adhäsionsbetrieb auf Normalspur sein. Eine Besonderheit ist der seitliche Dachstromabnehmer für die Gleichspannung (1200 V), während die Sihltalbahn den normalen Bahnwechselstrom (15 kV / 16,7 Hz) über einen mittig angeordneten Dachstromabnehmer abgreift. Beide Bahnen fahren seit 1990 auf denselben Gleisen unterirdisch bis in den Zürcher Hauptbahnhof ein, wo sie an einem gemeinsamen Doppelbahnsteig halten.

Nach 23 Minuten erreicht man die Bergstation, von wo aus bis zum 840 m hohen Gipfel noch ein ganzes Stück bergan zu laufen ist. In der Berggaststätte "Uto-Kulm" wurde für uns ein dreigängiges Menü mit "Zürcher Geschnetzeltem" aufgedeckt, das wir bei schönstem Wetter und guter Fernsicht auf die schneebedeckten Alpen im Freien genießen konnten.

Die Rückfahrt erfolgte individuell im 30-Minutentakt der Bergbahn. Bei einbrechender Dunkelheit schaltete der Fahrer auf Wunsch der Reiseleitung zeitweise die Innenbeleuchtung aus, so daß man das Lichtermeer der Großstadt sehen konnte.

Am Sonntag, 21. Juni konnten wir bereits unser Gepäck im Hauptbahnhof deponieren, bevor um 8:10 Uhr eine Fahrt mit dem Interregio nach Winterthur begann. Dort hieß es Umsteigen zur "Tösstalbahn" (S 26) bis Bauma, wo wir nach einer Stunde ankamen. Nachdem wir dort die Ausfahrt eines Dampfzuges beobachtet hatten, konnte das Depot des Dampfbahnvereins Zürcher Oberlandbahn (DVZO) besichtigt werden, bevor um 10:30 Uhr unser Dampfzug abging. Nach 40 Minuten Fahrzeit erreichte er Hinwil, von wo wir mit einem Doppelstockzug der S 14 nach Zürich zurückfuhren.

Während dieser letzten Fahrt erhielt jeder Teilnehmer eine Urkunde, welche uns die erfolgreiche Teilnahme an den vielseitigen Exkursionen bescheinigte. Um 12:20 Uhr endete das interessante Erlebniswochenende, und wir mußten uns von den sympathischen Fremdenführern verabschieden. Die Herren Grünberg und Schnider hatten uns mit ihrem liebenswerten schweizer Dialekt stets humorvoll informiert und vier Tage lang planmäßig durch die verkehrstechnischen Sehenswürdigkeiten Zürichs geführt.

Um 13:13 Uhr fuhr ich in drei Stunden mit einem D-Zug über Schaffhausen - Singen bis Stuttgart. Um 16:51 Uhr ging es weiter mit einem ICE, der bereits überfüllt von München kam. Bedingt durch die aktuellen Radprüfungen hatte der Zug drei Wagen weniger. Nur im Speisewagen war noch Platz und so mußte ich ausnahmsweise die fünf Stunden bis Hamburg dort zurücklegen. Offenbar fuhr der Zug mit planmäßiger Höchstgeschwindigkeit, und so kamen wir mit "nur" 15 Minuten Verspätung in der Hansestadt an.

(Werner Rönsch, 25474 Bönningstedt)

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Stand: 14 Apr 99